von Bettina Wietzel-Skakowski

Anfang März 2020 fand der Conseil d’Administration in Le Plessis Pâté statt. Wer hätte gedacht, dass sich die Welt innerhalb von 6 Wochen so schnell verändern kann. Während die Finanzkrise 2008 das Werk einiger Banken war haben wir es mit der Corona-Krise mit einem weltumspannenden Ereignis zu tun, bei dem es letztlich keine Hauptverantwortlichen mehr gibt, sondern wir alle in unserem eigenen Verhalten gefordert sind, Verantwortung für uns selbst und die anderen zu übernehmen und vor allem durch harten persönlichen Verzicht Leben zu schützen. Das Denken in Wachstumsspiralen – immer weiter, immer mehr, immer profitabler – wird durch die drastische Reduzierung auf das Wesentliche gestoppt. Das so gerne verwendete Rollenbild von Täter und Opfer funktioniert nicht mehr. Wir sitzen alle in einem Boot und kämpfen gegen das COVID 19-Virus.

Interessant war es in den letzten Wochen zu sehen wie sich die Epidemie in Wellen von den früh betroffenen Ländern China, Süd-Korea, Iran nach Europa dort startend mit Italien und Frankreich, danach zeitversetzt nach Deutschland, Benelux und die skandinavischen Staaten ausgebreitet hat. Und als wir dachten es wäre nun schon genug mit der Krise, kamen die Nachzügler auf den Plan massiver als je geahnt das Vereinigte Königreich, USA, Russland, Indien und neuerdings die Türkei. Und selbst der Brexit ist in den Hintergrund getreten.

Unser Kreis der Animateure und internationalen Mitarbeiter der ASTRE Giorgio Grassi für Italien, Javier Bautista für API, Lucie Georges für Benelux, Julien Garioud für internationale Geschäfte und Ausschreibungen, Laetizia Vergez in Frankreich und ich in meiner doppelten Funktion für DACH und Europa haben uns entschieden eng an den Partnern zu bleiben und sie in den einzelnen Länder zu begleiten. Die ausgefallenen persönlichen Zusammenkünfte haben wir zusammen mit den Geschäftsführern der Landesgesellschaften der ASTRE Guiseppe Curcio (ASTRE Italia), Henrique Elvas Martins (ASTRE Iberische Halbinsel), Ad Kuijken (ASTRE BENELUX) und Ulf Tonne (ASTRE DACH) durch Telefon- oder Videokonferenzen aufrechterhalten und wo wir konnten Lösungen geschaffen, Verbindungen zwischen Partnern hergestellt und Mut für Neugeschäfte gemacht.

Sehr früh haben uns Partner aus der Kontraktlogistik berichtet, dass sich die weltweiten Pharmalieferketten binnen Tagen verändern müssen, da lebensnotwendige Medikamente für den europäischen Markt ausschließlich am Standort China produziert würden und man alle Hände voll zu tun habe den Kunden unter die Arme zu greifen und damit die Patienten in der EU nunmehr aus EU-Produktion zu versorgen. Die Tendenz der Versorgung mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Materialen für den Gesundheitssektor nahmen in den Geschäften unserer Partner schnell Raum ein, auch E-Commerce Handel spielt ein wichtige Rolle, einige Partner hatten wesentlich mehr Arbeit, andere mussten jedoch auch sehr schnell durch Ihre Verbundenheit mit bestimmten Schlüsselindustrien wie Automobil- und Maschinenbau lernen, dass sie wie ihre Kunden erst einmal ihre Arbeit massiv einschränken müssen und einen Großteil der Mitarbeiter in Kurzarbeit oder Urlaub geschickt und die Fahrzeuge abgemeldet haben.

Wir wurden konfrontiert mit der mittlerweile schwierigen Unvorhersehbarkeit und Planbarkeit von Maßnahmen, wann und wie werden in welchem Land die einzelnen Branchen auf die Krise reagieren und somit werden sich auch auf die Betriebstätigkeit unserer ASTRE-Partner auswirken. Während sich Frankreich aufgrund des politischen Systems stark an den Vorgaben der Regierung orientierte, ist in einem föderalen Land wie Deutschland die Meinung der Regierung zwar wichtig und letztlich auch ausschlaggebend, die Meinung basiert jedoch auf einer Konsenzentscheidung zusammen mit den Ländern und der Schwarmintelligenz von Experten. Die Stärke des europäischen Denkens wurde deutlich als sich die Intensivärzte in Deutschland bei ihren Kollegen in Italien und Frankreich kundig machten, um die Krise der Intensivmedizin in anderen Ländern abzumildern und sich einzelne Länder auch grenzübergreifend um die Versorgung der Schwererkrankten kümmern.

Die Aktion Solidarität mit den Fahrern war eine Erfindung der ASTRE, die als erste Institution in Europa frühzeitig auf die Missstände bei der Versorgung der Fahrer aufmerksam gemacht haben, als Kunden und aber auch die Autobahnraststätten die Sanitäreinrichtungen geschlossen haben. Mit der Aktion wurde Sichtbarkeit und hoffentlich auch zunehmende Wertschätzung für die Berufe erreicht, die bislang leider nicht prominent in Erscheinung getreten sind, jedoch unverzichtbar für unser Gemeinwohl, die Wirtschaftskraft und damit auch dem Wohlstand unserer Länder sind.

Wir hoffen, dass sich die Regierungen in Europa in den nächsten Wochen auf ein Optimum zwischen der Gesunderhaltung der Menschen und einem Wiederanlaufen der Wirtschaft entscheiden und sukzessive die Weichen stellen, damit das Wirtschaftsleben wieder anlaufen kann. Wahrscheinlich werden wir alle, wie seit Jahren in Asien üblich, Schutzmaßnahmen für unser Arbeits- und Alltagsleben treffen müssen. Um uns wieder zu treffen ist social distancing mit Mundschutz und Desinfektionsmitteln angezeigt.

Wir hoffen jedoch, dass positive Erfahrungen erhalten bleiben:

  • Physische Treffen sind nicht immer erforderlich, auch Telefon- und Videokonferenzen selbst für Entscheidungsgremien können sehr produktiv sein, erhöhen die Beteiligung und vermeiden Zeitverluste durch Reisen.
  • Für das Netzwerk ASTRE sollten wir am Ball bleiben, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Transport- und Logistikbereich die öffentliche Wertschätzung erhalten, die Sie durch Ihre tägliche Arbeit verdienen und auch während der Krise sichtbar gemacht haben.
  • Es bleibt zu wünschen, dass sich auch die Wirtschaft und die Politik klar darüber werden, dass Wertschöpfungsketten auch anderen Faktoren als dem Diktat der relativ günstigen See- und Luftfrachtraten oder der Lohnarbitrage bei den LKW-Fahrern innerhalb Europas unterliegen und sich wieder verstärkt der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa widmen.
  • Schlichtweg in Zukunft wieder etwas mehr Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen damit das „Pass‘ auf Dich auf“ bleibt.

Das Ziel sollte es sein: langfristige soziale und wirtschaftliche Sicherheit in Europa und das Vertrauen in eine starke Gemeinschaft von Transporteuren und Logistikern und der Erfahrung und dem Unternehmergeist von mehr als 160 Partnern: Eben ASTRE in Europa – auch nach der Krise.